Talkingeyes & More GmbH

Medizinprodukte und innovative Lösungen

VR Fusion Trainer

Der VR Fusion Trainer wurde von der TE&M GmbH zu einem Medizinprodukt der Risikoklasse I zertifiziert.

Talkingeyes & More GmbH in Kooperation mit der Technischen Fakultät der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg (Department of Computer Science, Machine Learning and Data Analytics Lab (MaD Lab), FAU) entwickelte das Virtual Reality-gestützte Lern-System. Die Entwicklung des VR-Fusion Trainers wurde gefördert von der Bayerischen Staatsregierung im Rahmen des Projektes VR-Amblyopie Trainer, 2-MED-1710-0010. Erste Ergebnisse wurden bereits publiziert .

Durch ein Virtual Reality-System (VR-System) soll eine Sehstörung bzw. sollen amblyogene Risikofaktoren behandelt werden, um Entwicklungsbeeinträchtigungen eines Kindes/ Teenagers/ junge Erwachsene und deren möglicherweise lebenslange Konsequenzen zu vermeiden oder zumindest zu vermindern. Im Vorhaben wird ein VR-System geprüft, das sehbehinderten Kinder mit Amblyopie zu einem besseren Sehen im Vergleich zur bisherigen Therapie verhilft. Amblyopie ist eine funktionale Sehschwäche eines  Auges, die auf einer unzureichenden Entwicklung des Sehsystems während der frühen Kindheit beruht. In Mitteleuropa wird eine Amblyopiehäufigkeit von 5 bis 6 % der Bevölkerung angenommen. Amblyopie gilt als Hauptursache für visuelle Funktionseinschränkungen während der ersten 45 Lebensjahre. Die jetzige Okklusionstherapie behandelt nur das schwache Auge, unterdrückt die Binokularitätsentwicklung und verursacht medizinische Nachteile: Bei durch Okklusion amblyopiebehandelten Kindern zeigte sich ein Visusverlust am Ende der Behandlung im okkludierten gesunden Auge von ungefähr die Hälfte der Visuszunahme im amblyopen Auge und einer Verminderung der Binokularität.  Der VR FUSION TRAINER soll diese Nachteile nicht aufweisen, da keine vollständige Okklusion, sondern nur eine Kontrastanpassung erfolgt. Außerdem wird, falls vorhanden, der Schielwinkel durch Anpassung der Bilder in der VR Brille ausgeglichen.  Durch die Kontrastanpassung und den Schielwinkelausgleich wird die Binokularität gestärkt.

Screenshot VR-Amblyopie Trainer

Absicht:

Im Zentrum steht die binokulare Sehschulung mit einer VR-Brille und mit einem drahtlosen Handheld-Controller bei Personen älter 12 Jahren nach Abschluß einer Okklusionsbehandlung.

Ablauf der Sehschulung:

Nach Untersuchung, Diagnosestellung und Abschluß der Okklusionstherapie können bei Kindern oder Teenager älter 12 Jahren die Sehübungen mit einer VR-Brille (VR FUSION TRAINER) erfolgen.  Der VR-FUSION TRAINER führt bei sehschwachen (amblyopen) Kindern durch Stärkung der Binokularität und einer partiellen Kontrastminderung des Bildes des besseren Auges zu einer Sehverbesserung. Neuere Erkenntnisse zeigen, dass eine abnormale binokulare Interaktion eine Schlüsselrolle bei der Amblyopie spielt, die bei der vollständigen Okklusionstherapie unberücksichtigt bleibt. Je stärker eine Ausblendung des amblyopen Auges vorliegt, desto schwächer ist die Sehschärfe dieses amblyopen Auges. Diese Erkenntnisse führten dazu, dass das Abkleben des besseren Auges als nicht ausreichende bzw. sogar kontraproduktive Therapie gesehen wird.  Der VR FUSION TRAINER stärkt die binokulare Funktion. Damit kommt es zur Verbesserung sowohl der Sehschärfe des amblyopen Auges als auch der binokularen Sehfunktion. Die Sehübungen des VR FUSION TRAINER bestehen darin, dass das amblyope Kind oder der amblyope Teenager mit einer VR-Brille ein virtuelles Ballfangen spielt und dadurch die Binokularität trainiert. Das Kind interagiert spielerisch und greift nach Bällen, die ein virtueller Mitspieler dem Kind zuwirft. Nur durch Nutzung beider Augen und einer erfolgreichen binokularen Interaktion kann der Ball korrekt erkannt und zurückgespielt werden.

Um beide Augen zeitgleich erfolgreich nutzen zu können muss verhindert werden, dass das amblyope Auge supprimiert wird. Dazu erfolgt zuerst eine digitale spielerische Testung der Kontrastminderung am guten Auge vor Beginn des virtuellen Ballspiels.

Die Kontrastanpassung (oder auch Suppressionsgrad genannt) des amblyopen Auges wird dadurch gemessen, indem bestimmt wird, um wieviel höher der Kontrast von sich bewegenden Stimuli am amblyopen Auge sein muss, um eine Bewegungsrichtung von bewegten Stimuli wie vergleichsweise beim gesunden Auge zu erkennen. Dazu wird der Kontrast am gesunden Auge vermindert, bis das amblyope und das gesunde Auge ein gleiches Bewegungssehen aufweisen. Die Untersuchungen erfolgen interaktiv mit einer VR-Brille und einem Controller.

Schritt 1: Dazu erscheinen, für beide Augen sichtbar, 100 bewegte Bälle, von denen sich eine bestimmte Anzahl (z.B. 20) in eine der vier Hauptrichtungen oben, unten, rechts oder links bewegen. Alle anderen Kugeln (80) bewegen sich diffus im Raum. Wird die derzeit vorherrschende Hauptrichtung erkannt, wird dies vom Probanden durch den Controller angezeigt (Knopfdruck). Der Prozentsatz der Kugeln, die sich in eine Hauptrichtung bewegen wird nach richtig erkannter Richtung gesenkt (hin zu 0%) und nach falsch erkannter Richtung erhöht (hin zu 100%). Nach einer gewissen Zahl an Durchgängen pendelt sich ein Prozentsatz ein, dieser wird auch Motion Coherence Threshold genannt und liegt gewöhlich bei unter 20% (also <20 Bälle haben eine Hauptrichtung, die restlichen >80 Bälle bewegen sich diffus).

SCHRITT 2: Dazu wird der Suppressionsgrad bestimmt. Auf dem amblyopen Auge werden nun nur noch die eben bestimmten 20% der Bälle bei 100% Kontrast angezeigt. Diese Bälle bewegen sich in eine der Hauptrichtungen. Auf dem gesunden Auge werden die restlichen sich diffus bewegenden Bälle bei zunächst 0% Kontrast angezeigt. Solange die Hauptrichtung der 20 Bälle auf dem amblyopen Auge erkannt werden kann, wird der Kontrast auf dem gesunden Auge sukzessiv erhöht, bis die Hauptrichtung durch einsetzende Suppression des amblyopen Auges nicht mehr erkannt wird. In der Regel benötigt das gesunde Auge im Vergleich zum amblyopen Auge einen deutlich geringeren Kontrast zwischen den sich in eine Hauptrichtung bewegende zu den sich diffus bewegenden Kugeln, um die Hauptrichtung zu bestimmen. Der Test wird zuerst am rechten, dann am linken Auge durchgeführt.

Der Amblyopiegrad ist das Verhältnis des notwendigen Kontrastgrades am amblyopen und gesunden Auge, der notwendig war, um die Hauptrichtung zu erkennen. Da der Test für das rechte und linke Auge getrennt erfolgt, kann der Amblyopiegrad bestimmt werden.

Für den Ausgleich des Schielwinkels wird ein Stimulus angezeigt, der für beide Augen einzeln erzeugt wird. Dieser Stimulus besteht aus vier Basketbällen, die um ein zentrales Kreuz angeordnet sind (oben, unten, rechts und links). Um motorische Schäden der Augenmuskulatur als Ursache für das Schielen ausschließen zu können, wird der Stimulus nacheinander an neun, zum Hess-Screen-Test vergleichbaren Positionen, angezeigt. So wird der Schielwinkel in verschiedenen Blickrichtungen gemessen. Pro Position ist die Aufgabe des Probanden / der Probandin, das Bild des erkrankten Auges, mittels Controllereingabe, solange zu verschieben, bis keine Doppelbilder mehr sichtbar sind. Aus dem dadurch entstandenen Versatz der beiden Bilder wird dann der horizontale und vertikale Schielwinkel berechnet. Nach Bestätigung des Versatzes folgen jeweils vier Testrunden. Pro Testrunde wird einer der vier Bällen scheinbar näher angezeigt als die anderen drei. Der Proband/ die Probandin wählt auf dem Controller die Richtung des Balles, der ihr am nächsten vorkommt. Dieser Tiefenversatz ist nur sichtbar, wenn zuvor das Bild des rechten, sowie des linken Auges perfekt überlagert wurde.

Nach Messung des Suppressionsgrads und des Schielwinkels kann nun das Bild für das virtuelle Ballfangen so angepasst werden, dass ein binokulares Sehen ermöglicht wird. Durch wiederholtes Durchführen der visuellen Aufgabenstellungen in der „virtuellen Realität“ mit zunehmendem Schwierigkeitsgrad wird die binokulare Interaktion gesteigert und verbessert. Amblyope Kinder verbessern durch Spielen mit dem VR-AMBLOYPIE TRAINER ihre visuellen Fähigkeiten in den Parametern Stereosehfähigkeit, Sehschärfe, Kontrastsehfähigkeit und Schnelligkeit des Erkennens von visuellen 3D-Szenarien. Der VR-AMBLOYPIE TRAINER basiert auf einer motorischen Interaktion der Hände mit bewegten dichoptischen Mustern (auf den Nutzer zufliegende Bälle) in einer virtuellen 3D-Realität.

Literatur

  • Amblyopia and the binocular approach to its therapy.  Robert F. Hess a,⇑, Benjamin Thompson. Vision Research 114 (2015) 4–16
  • Binocular treatment of amblyopia using videogames (BRAVO): study protocol for a randomised controlled trial. Cindy X. Guo1, Raiju J. Babu2, Joanna M. Black1, William R. Bobier2, Carly S. Y. Lam3, Shuan Dai4, Tina Y. Gao1,Robert F. Hess5, Michelle Jenkins6, Yannan Jiang6, Lionel Kowal7, Varsha Parag6, Jayshree South1, Sandra Elfride Staffieri7, Natalie Walker6, Angela Wadham6, Benjamin Thompson1,2*, on behalf of the BRAVO study team. Trials (2016) 17:504, DOI 10.1186/s13063-016-1635-3
  • Früherkennungsuntersuchung von Sehstörungen bei Kindern bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres. IQWiG-Berichte – Jahr: 2008 Nr. 32. Früherkennung von Sehstörungen bei Kindern bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres. (Folgeauftrag zu Auftrag S05-02).IQWiG-Berichte – Nr. 301